Neue sicherheitspolitischte Herausforderungen
Autorinnen: Rebecca Rapp, Mona Rouhandeh und Lea Schön
Der Islamische Staat
Warum lässt sich der IS als hybrider Akteur beschreiben?
Um den IS als Untersuchungseinheit genauer betrachten zu können, muss zuerst bestimmt werden, um welche Art von Akteur es sich handelt.
Der IS bewegt sich zwischen nichtstaatlichem und staatlichem Akteur. Spencer (2016) nennt den IS einen quasi-staatlichen Akteur, da dieser über grundlegende staatliche Strukturen wie Bürokratie, Judikative und Polizeibehörden sowie Infrastruktur wie Supermärkte, Banken oder Krankenhäuser verfügt und bereitstellt. Dazu passt auch sein Ziel des state-building bzw. "enduring and expanding" (Byman 2016: 140). Um die Kosten dieser Infrastruktur, Gehälter für Kämpfer und weitere Kriegsausgaben zu finanzieren, erhebt der IS Steuern und verkauft das Öl in seinen Gebieten. Auch das sind Eigenschaften von Staatlichkeit.
Den IS als tatsächlichen Staat zu bezeichnen wäre allerdings auch nicht korrekt, da er über kein gefestigtes Staatsgebiet verfügt. Seine Gebiete verändern sich dynamisch durch Rückschläge und erneute Eroberungen. Damit fehlt ihm bereits mindestens ein Element nach Jellineks Drei-Elemente-Lehre um als Staat bezeichnet werden zu können. Der IS verfügt somit über einen gewissen Grad an Staatlichkeit in seinen Gebieten, jedoch nicht genug um ein Staat zu sein.
Je nachdem wie der IS territorial besteht, hat das auch Auswirkungen auf seine militärischen Strategien. So bewegt sich der IS zwischen konventioneller Kriegsführung und asymmetrischen Strategien (Byman 2016: 144). Verliert er an Territorium, verändert sich auch seine Kampfstrategie hin zu einem stärkeren Fokus auf terroristischen Anschlägen, da diese relativ preisgünstig sind und dafür eine hohe Salienz haben.
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Ab 2017 kommt es zu starken Teritoriumsverlusten für den IS. Immer mehr Gebiete werden durch die Anti-IS-Koalition zurückerobert (Meier 2017). Damit sinkt auch seine Bedeutung als staatlicher Akteur und er bewegt sich stärker in RIchtung nichtstaatlicher Terrororganisation.
Troy (2019) argumentiert, dass der IS nicht nur schwer auf der Structure-Dimension (staatlich/nicht-staatlich) einzusortieren ist, sondern auch in die Agency-Dimension. Diese unterscheidet zwischen religiöser der säkularer Legitimationsgrundlage. Das wirkt erst einmal unintuitiv, wenn doch der IS bereits im Namen eine Referenz zum Islam trägt, militärische Strategien mit religiöser Bedeutung begründet und in besetzen Gebieten die Scharia anwendet. Allerdings ist die Handlungslogik des IS keine rein ideelle. Der IS handelt auch nach strategischen Zielen. So werden ideologische Überzeugungen pragmatischen Überlegungen oftmals untergeordnet (Byman 2016). Das zeigt sich beispielsweise in dem Verkauf von Öl u.a. an das Assad-Regime oder an die Freie Syrische Armee (Byman 2016: 139).
Zusammengefasst kann der IS als hybrider Akteur beschrieben werden (Troy 2019) da er in der staatlich/nichtstaatlich Achse nicht eingeordnet werden kann. Eine Verflechtung ideeller und strategischer Handlungsgrundlagen zeigen auch, dass er in der Agency-Dimension über Eigenschaften beider Pole verfügt.
Diese Einordnung beeinflusst die Rekrutierung und die sich transformierende Rolle der weiblichen Jihadistin, weswegen sie auch in seiner Bekämpfung bzw. Eindämmung berücksichtigt werden muss. In unseren Beiträgen zu diesen Inhalten versuchen wir daher immer wieder auf die Akteursstruktur des IS rückzukoppeln.
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Wie hat der IS sich entwickelt?
Eigene Darstellung nach Baumsteiger 2019, Byman 2016, Gehlen 2020, Gerges 2016 und Meier 2017
Legende:
Rosa: Historische Events
Gelb: Wichtige aus den Events resultierende Folgen
Braun: Bedeutung für/Handlung durch ISIS, ISI, JN, Al-Quaida
Abkürzungen:
JN = Jabhat al-Nusra
ISI = Islamischer Staat im Irak
ISIS = Islamischer Staat im Irak und Syrien
IS = Islamsicher Staat